Alfred Schwendinger leitet seit der Gründung 2021 die Regionalwert AG Wien & Niederösterreich als Vorstand. Wir sprachen im Oktober mit ihm über seine Arbeit, seine Motivation, Erfolge und die Zukunft.
In einem Satz: Wofür steht eure AG?
Es ist eine Bürgerinnen-Plattform, die verschiedene Sachen verbindet. Erstens Bewusstseinsarbeit & Bewusstseinsbildung, zweitens Vernetzung untereinander entlang der Wertschöpfungskette und drittens die Vernetzung mit den Konsumentinnen und Konsumenten. Einerseits, damit sie dort einkaufen und andererseits, damit sie über die Aktiengesellschaft Geld investieren und wir in solche Projekte investieren können. Und das ist einmalig. Oft gibt es Organisationen, die machen Bewusstseinsarbeit oder die wollen auch die Welt retten so wie wir, aber dass sie gleichzeitig auffordern, einzukaufen und zu investieren… Also diese Kombination finde ich super.
Welches Problem wollt ihr mit eurer Arbeit lösen?
Ja, also da verstecken sich 3 Geschichten: die eine Geschichte, die ich sehr stark als Landwirt erlebt habe, ist, dass der Konsument keine Ahnung hat, was auf den Höfen oder auch in den Betrieben passiert. Was sind die Hintergründe von dem know-how, von dem Risiko, das getragen wird, und von dem Rieseneinsatz, der da passiert? Und damit man aber die Produkte gut an die Frau, an den Mann bringt, war für mich immer klar, muss man einfach den Kunden mehr informieren oder mehr mitleben oder mitwissen lassen.
Das Zweite ist, dass wir wirtschaftliche Betriebe wollen. Das heißt, wenn der Kunde will, dass es so eine biologische, regionale Lebensmittelproduktion gibt, dann muss er auch einfach dort kaufen. Also ja, jeder Einkauf ist eine Bestellung für die nächste Produktion. Und damit entscheidet sich auch die Wirtschaftlichkeit der Betriebe und das ist eins der wichtigsten Dinge. Und das Dritte ist: es gibt genug Geld, da muss man eben die Leute finden, damit sie auch in solche Projekte investieren.
Leute fragen mich immer: was hast du davon, wenn du dich engagierst? Und ich sage immer, das ist die falsche Frage. Es geht nicht darum, was ich davon habe, sondern es geht darum: was kann ich dazu beitragen mit dem Wissen, mit dem Know-how, mit dem, was ich noch kann oder wer ich bin, um Lösungen voranzutreiben.
Alfred Schwendinger, Regionalwert AG Wien & Niederösterreich
Was hat dich persönlich motiviert, diesen Weg zu gehen?
Also ich bin Landwirt, mittlerweile pensioniert, aber habe 40 Jahre biologische Landwirtschaft in Kombination mit regionaler Entwicklung und regionaler Vermarktung betrieben. Ich bin auch Betreiber von einem größeren Bioladen. Mich hat regionale Entwicklung immer interessiert. Und was dann sicher entscheidend war, dass ich schon 2008 den Christian Hiß* kennengelernt und dieses System der Regionalwert AG kennengelernt habe. Und damals haben wir schon gedacht, es wäre auch für unsere Region etwas, hatte aber keine Zeit, das umzusetzen.
*Anm.: Christian Hiß gründete 2006 die erste Regionalwert AG in Freiburg. Er hat außerdem die Leistungsrechnung für landwirtschaftliche Betriebe konzipiert, ein tool zur Vergütung von Gemeinwohlleistungen.
Zusatzfrage: Warum ist dir die Regionalentwicklung so wichtig?
Also regional ist für mich immer gut, wenn ich die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, kenne. Dass man miteinander arbeiten und auch feiern kann, wenn man was erreicht hat. Dass ich einfach gesehen habe, das globale Wirtschaftssystem hat ein paar linke Beine: die Riesentransportwege, quasi unreife Früchte, die irgendwo geerntet werden und so weiter. Und eine Regionalversorgung ist für mich gesünder, resilienter, ja, macht einfach mehr Sinn. Das Globale brauchen wir auch und hat seinen Stellenwert, aber mir ist und war der Aspekt der Regionalität immer wichtig.
Was treibt dich an, weiterzumachen? Gibt es ein Lebens- oder Arbeitsmotto?
Na ja, ich würde sagen in erster Linie so was wie Dankbarkeit. Aus der kommt meine Hauptmotivation. Ja, ich bin gesund, mir geht es gut. Ich habe über meine Pension ein Grundeinkommen, mit dem ich auskomme und ich habe bis jetzt eine sehr schöne Zeit gehabt als Biobauer.
Leute fragen mich immer: was hast du davon, wenn du dich engagierst? Und ich sage immer, das ist die falsche Frage. Es geht nicht darum, was ich davon habe, sondern es geht darum, was kann ich dazu beitragen mit dem Wissen, mit dem Know-how, mit dem, was ich noch kann oder wer ich bin, um Lösungen voranzutreiben. Das ist die Motivation. Ich lerne jeden Tag dazu. Und ich lerne bis zum Schluss des Lebens, das ist für mich erfüllend.
Kannst du eine Geschichte teilen, die zeigt, wie eure Beteiligung etwas bewirkt hat?
Aber wenn ich eine nehme, zum Beispiel ein relativ junges Paar mit 3 Kindern. Sie haben von den Eltern des Mannes den Hof übernommen. Aufgrund von Krankheit seiner Eltern ist der Hof aber ziemlich herabgekommen, was die Wohnung und die Stallungen anbelangt. Also keine Investitionen mehr über längere Zeit. Und wir haben uns dort mit einer Beteiligung für den Neubau des Ziegenstalles eingebracht. Und jetzt kann man dort hinfahren, kann man sich das anschauen. Da gibt es einen neuen, sehr offenen Ziegenstall mit Anschluss gleich weiter auf der Wiese. Die Frau ist begeisterte Marktfahrerin und präsentiert ihre Frischkäse und Ziegenkäse am Markt. Sie hatten kein Geld und haben nach wie vor nicht viel Geld. Also ohne unsere Investitionen wäre es wahrscheinlich gar nicht so leicht möglich gewesen. Und das ist cool. Sie haben schon für die Kühe was Neues gemacht. Sie haben den Ziegenstall erweitert und ich hab dann auch noch privat mitgeholfen. Und das gefällt mir, wenn so ein Schwung von außen oder Energie von außen dazu kommt. In Form von Mithilfe, in Form von Geld, ja, damit das überhaupt möglich ist. Und die sind begeistert! Und die Kinder freuen sich auch. Das ist wirklich eine coole Geschichte!
Gab es eine Begegnung, die dich besonders bewegt hat?
Ja, es bewegt einen halt z.B. wenn man so einer Familie helfen kann. Wenn ich einfach sehe, wie sie aufatmen, wenn sich Leute beteiligen. Dieses Menschliche, das bewegt mich halt. Es ist schön zu sehen, wenn es dann auch wirtschaftlich weiter geht und man sieht, wie die Kinder schon Spaß daran haben und die das eventuell auch irgendwann weiter machen. Also das, das bewegt mich schon sehr, einfach die große Freude damit.
Du bist, was du isst: und wenn du einen Blödsinn oder eine Klumpert, wie man bei uns sagt, isst, darfst du dich nicht wundern, wenn du auch zu einem wirst.
Alfred Schwendinger, Regionalwert AG Wien und Niederösterreich
Warum lohnt es sich, in die Regionalwert AG zu investieren?
Ja, das ist relativ einfach! Man fördert die eigene Gesundheit, indem man zu guten Lebensmitteln kommt, man fördert die Gesundheit der Umwelt, indem die regionalbiologisch produzieren und z.B. kein Gift verwenden. Lebensmittelsicherheit wird gesteigert, indem es resilienter ist. Das lohnt sich!
Ich investiere zwar jetzt in einen Betrieb, aber ich hole mir ja auch über das tägliche Lebensmittel was zurück, was im Endeffekt eine Investition in mich selbst über Umwege ist.
Wie können Menschen konkret bei euch mitmachen oder etwas beitragen?
Drei wesentliche Dinge: sich informieren, einkaufen und investieren. Also, ich kann als Konsument:in schauen: kann ich regionaler einkaufen? Ich esse und ich konsumiere ja täglich. Je mehr sie bei diesen Regionalwehrbetrieben kaufen, umso mehr können sie beitragen. Und ja, dazu ist oft im Vorfeld Information notwendig. Wo und wie bekomme ich diese coolen Produkte? Weil es einfach auch einzigartige regionale Produkte sind, die es sonst gar nicht so gibt. Und ja, wenn ich Geld zur Verfügung habe, dann kann ich sinnvoll investieren. Investition ist regelmäßig über den Kauf von Bürgeraktien möglich. Und unabhängig davon: man kann natürlich spenden. Für uns, aber auch für die Betriebe. Wir unterstützen manchmal Crowdfunding oder Aufrufe auf den Betrieben.
Was müsste sich gesellschaftlich oder wirtschaftlich ändern, damit Unternehmen wie deines wachsen können?
Es gibt nicht nur das individuelle Engagement, sondern es sind ja immer auch politische Strukturen damit verbunden. Das ganze Fördersystem in der Landwirtschaft, das bemisst sich an der Fläche, nicht an der Ökologie. Es orientiert sich nicht so am Sozialen oder Gemeinwirtschaftlichen. Aber dieser politische und gesellschaftliche Nährboden muss sich ja auch erst ergeben. Also, das ganz kann man nicht erzwingen. Und Veränderung ist immer schwierig. In der ökologischen Landwirtschaft ist es so, dass sie in Wirkichkeit in einer kleinen Bubble agiert und bekannt ist. Aber was ist mit der breiten Landwirtschaftspolitik oder der großen Lebensmittelversorgung? Muss man realistisch anerkennen: da passiert etwas anderes. Da haben wir schon Glück, wenn wir ab und zu irgendwo auf der Seitenstelle mit plaudern oder zuhören dürfen. Aber es nutzt meiner Ansicht nichts, gegen das anzukämpfen, sondern einfach andere Modelle aufzuzeigen und hoffen, dass immer mehr Leute auf unserer Seite mitziehen. Ich habe aufgehört, ständig Dinge anzuprangern. Das ist unnötige Energieverschwendung! Sondern wir müssen schauen, wo können wir in dem Bereich, was uns möglich ist, Lösungen mitgestalten.
Ein Satz, der Mut machen soll, sich zu engagieren?
Du bist, was du isst: und wenn du einen Blödsinn oder einen Klumpert, wie man bei uns sagt, isst, darfst du dich nicht wundern, wenn du auch zu dem wirst.
Welche Frage, die ich dir nicht gestellt habe, hättest du gerne beantwortet?
Eher ein Abschluss Satz: Das Leben ist schön, ja, und schauen wir mal, dass es noch schöner wird.
Wen würdest du als Nächstes für ein „Quick Questions“-Interview nominieren?
Die Regionalwert AG Rheinland, weil die immer mit viel Engagement tolle Projekte umsetzen. Das begeistert mich!
Wir bedanken uns bei Fred für das inspirierende Gespräch und senden herzliche Grüße nach Österreich! Mehr zur Regionalwert AG Wien & Niederösterreich gibt’s hier. Unser neuer Auftrag steht fest: es geht ins Rheinland zur Voständin Dorle Gothe. Stay tuned!